Qualitätskontrolle bei Kaffee und Wein: Kann Künstliche Intelligenz den menschlichen Geschmack ersetzen?

„Gegenwärtig konkurriert die Maschine mit dem Menschen. Unter richtigen Verhältnissen wird sie dem Menschen dienen,“ schrieb Oscar Wilde 1891 im Essay Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus. 130 Jahre später stellt sich die Frage nach der Dienlichkeit der Maschine dringlicher denn je. Man muss wahrlich keine Dystopie heraufbeschwören, um die Menschheit geradewegs in ein posthumanes Zeitalter marschieren zu sehen, wenn Unternehmer wie Elon Musk die drohende Macht der Maschinen mit Künstlicher Intelligenz (KI) nur noch durch eine Symbiose aus Mensch und Maschine meinen aufhalten zu können. Sein Projekt Neuralink, das die Entwicklung eines Brain Computer Interfaces (BCI) anstrebt, also die Vernetzung des menschlichen Gehirns mit einem Computer und einer Cloud, soll zwar erstmal nur im Dienste gesundheitlicher Aufgaben stehen, zum Beispiel wenn es um die Steuerung von Prothesen geht, aber Musk denkt längst viel weiter und macht auch kein Geheimnis daraus, im Gegenteil: „Mit zwei Gehirn-Schnittstellen könntest du tatsächlich einen unkomprimierten direkten Ideenaustausch mit einer anderen Person bewerkstelligen … man würde im Grunde einvernehmliche Telepathie betreiben … .“ Schon 2013 wurde im Wissenschaftsmagazin scientific reports eine Studie veröffentlicht, die eine erfolgreiche, telepathie-ähnliche Kommunikation unter Ratten dokumentiert. Unüberwindbar schwierig sollte es im nächsten Schritt nicht sein, diese technische Entwicklung auf den Menschen zu übertragen. Aber sind wir bereit und Willens, den Schritt mitzugehen? In dem für diese Art von Kommunikation geprägten Begriff brain-to-brain-interface kommt das Wort Computer übrigens nicht vor. Eine Unterlassungssünde, gaukelt es doch dem unbedarft damit Konfrontierten eine direkte, unverarbeitete Kommunikation von Individuum zu Individuum vor, die es natürlich nicht ist, weil nur Computer die Kommunikation möglich machen. Wie Musk in einer solchen Computer-assoziierten, vernetzten Gedankenwelt die Entscheidungsfreiheit eines jeden Individuums uneinnehmbar, das Gehirn unhackbar machen will, bleibt sein Geheimnis.

Musk erwartetet schon bald eine gravierende Unterlegenheit des Menschen gegenüber KI-gesteuerten, selbstlernenden autonomen Systemen/Robotern, und möglicherweise wird es auch so kommen, zumal er selbst dazu beiträgt (Tesla etc.). Die passende Lösung zu dem von ihm mitgeschaffenen Problem bietet er mit Neuralink praktischer Weise auch gleich an. Pflanzen wir uns einfach einen Chip ins Hirn – und schon sind wir der KI nicht mehr chancenlos ausgeliefert. Die richtigen Verhältnisse, die nötig wären, damit die Maschine dem Menschen diene, so wie Oscar Wilde es formulierte, stehen für jemanden wie Musk offensichtlich nicht mehr zur Debatte.

Derweil unterwandert die KI unser Leben, unsere Arbeitswelt und zapft dabei (noch ganz ohne Interface) unsere Gehirne an, wie das Beispiel der Kaffeeindustrie zeigt. Sie ist sehr engagiert dabei, die Qualitätsprüfung von Kaffeebohnen zu standardisieren und dafür Infratrotsensoren einzusetzen. Bislang übernahmen geschulte Verkoster, so genannte Cupper, diese Aufgabe, wobei sie den Kaffee bereits gerösteter Bohnen beurteilen. Also das Endprodukt. Schon bald aber sollen Infrarotsensoren die Qualität bereits anhand der grünen, ungerösteten Bohnen erkennen können und so das aufwändige und teure Cupping weitgehend überflüssig machen. Denn jede Bohne besitze einen sensorischen Fingerabdruck, so das israelisch-kolumbianische Start-up Demetria, das gerade mit Nestlés Nespresso eine Kooperation vereinbart hat. Eine Art Dechiffriercode also, der mittels Sensor ausgelesen werden kann. Mit der Kamera eines Smartphones kann außerdem der Feuchtigkeitsgehalt der Bohne bestimmt werden. In Summe soll das nach Ansicht des Unternehmens ausreichen, mithilfe einer App an Ort und Stelle sichere Aussagen über die Qualität des Kaffees treffen zu können.

Woher aber weiß die App, welcher Code für welche Qualität steht? An dieser Stelle kommt zunächst doch wieder ein Cupper ins Spiel, dessen Wissen und Urteilskraft angezapft wird. Der verkostet die Kaffees aus den gerösteten Bohnen nach einem streng normierten Verfahren, wodurch nach und nach eine Datenbank mit entsprechenden Zuordnungen entsteht. Algorithmen sollen schließlich helfen, aus dem wachsenden Datenpool ein lernendes System zu machen, das ohne Cupper auskommt.

Ein schon auf den ersten Blick hochgradig anfälliges Verfahren. Man stelle sich vor, ein professioneller Weinverkoster probiert zig rebsortenreine Rieslinge aus einer Großlage, die von einer Vielzahl Winzer bewirtschaftet wird. Seine Ergebnisse gehen zurück an die Winzer, und ergänzt um den gemessenen Öchsle-Grad würde nun die Qualität der Trauben beurteilt, die den Marktpreis bestimmen, den Großkellereien an die Winzer für die Trauben zu zahlen haben. Alle Prozesse, alle Fehlermöglichkeiten, die in der langen Herstellungskette zwischen der erntereifen Traube am Stock und dem aus der Flasche verkosteten Wein liegen, wären mal eben weg gehext. Und aus einer 1a-Traube wird plötzlich Ramschware, weil der Wein einen Böckser hat aufgrund von Schwefelwasserstoffbildung. Oder einen Essigstich, TCA, Molke- oder Liebstöckelton, Ammoniak, ungewollte Petroleumnote, untypischer Alterungston, nasser Hund usw.. Kaffee enthält etwa 850 flüchtige Aromaverbindungen, 40 davon tragen als Schlüsselaromen (key odorants) zum unverkennbaren Aromaprofil bei. Auch beim Kaffee können Probleme bei Transport, Lagerung und Zubereitung Fehltöne verursachen und den Geschmackseindruck beeinflussen. Ganz abgesehen davon, dass wir sowohl beim Wein wie auch beim Kaffee über ein Naturprodukt sprechen, dessen alljährliche Qualität auch aufgrund von Witterungseinflüssen schwankt.

Die Befürworter von KI als sensorische Qualitätsprüfung argumentieren gerne mit einem Höchstmaß an gewährleisteter Objektivität. Das Gegenteil ist der Fall. Und schlimmer noch: Die Urteile eines einzigen Verkosters bilden möglicherweise die Basis für ein langfristig selbstlernendes System. Hatte der Cupper in der Nacht vor der Verkostung vielleicht schlecht geschlafen? War er auf dem Weg zum Job an einer Straßenbaustelle vorbeigekommen, wo geteert wurde? Oder hatte er sich entschieden, trotz einer leichten Erkältung zu verkosten, weil der Auftraggeber Druck gemacht hat? Wie gut und sicher sind unter solchen Bedingungen seine Bewertungen? Das alles kann immer passieren und ist im Einzelfall nicht weiter dramatisch, aber als Grundlage für ein selbstlernendes System, was auch noch vorgibt objektiv zu sein, ist es ein großes Übel.

Kopf sagt: Sport. Bauch sagt: Currywurst. Studie sagt: Wir sind zu fett.

Ich war mal wieder im Profi-Grill. Beste Pommesbude zwischen Westkapelle und München. Mindestens. Die legendärste sowieso. Inhaber Raimund Ostendorp lernte das Kochen im Parkhotel Krefelder Hof. Nach vielen Jahren im Job und Stationen im Chez Alex (Köln), Schu’s Restaurant (Hannover) und Im Schiffchen (Düsseldorf) hatte er eines Tages genug von dem ganzen Schnickschnack (obwohl er selbst immer noch gerne Sternerestaurants besucht) und übernahm den Imbiss von Kurt Kotzlowski an der Bochumer Straße in Wattenscheid. „Kulinarischer Abstieg in die Kreisliga“ nennt er diesen Wendepunkt seines Berufslebens bis heute. Gut 30 Jahre ist das her. Den Schritt bereuen musste er nie. Und für einen Mann aus der Kreisliga hat er über diese Zeit verdammt viel Medieninteresse geweckt. Alle großen Fernseh- und Radiosender waren schon da, das Boulevard sowieso. Und welchem Koch widmet man in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schon eine ganze Seite? Ich war 1992 zum ersten Mal im Profi-Grill und schrieb darüber im Stadtmagazin PRINZ. Seither komme ich mehrmals im Jahr vorbei, vertilge Doppelpommes Mayo und scharfe Currywurst, und meistens serviert mir Raimund dazu noch ein Schälchen mit hausgemachten Krautsalat.

Als ich nun neulich bei ihm aufkreuzte, hing an der Stelle, wo früher die Seite aus der Frankfurter Allgemeinen im Glasrahmen ausgestellt war, eine Spruchtafel: Kopf sagt: Sport. Bauch sagt: Currywurst. Ich musste augenblicklich an einen Satz denken, den ich am Morgen in Slavoj Žižeks Buch Hegel im verdrahteten Gehirn gelesen hatte: „Die Widerspruchsfreiheit eines Axiomensystems kann nicht aus diesem selbst abgeleitet werden. Aber bevor ich mir darüber stümperhafte Gedanken machen konnte, saß Raimund schon bei mir und meinem Sohn am Tisch, fragte den Nachwuchs (den er schon als Baby kennengelernt hatte) nach dem Befinden und gratulierte ihm zum gerade erfolgreich absolvierten Mathe B.Sc..

Wie allen anderen Gastronomen, die ich seit Ende der Corona bedingten Schließungen traf, ist auch Raimund anzumerken, wie sehr er es genießt, endlich wieder leibhaftig mit seinen Gästen plaudern zu können. Nachdem wir alle wichtigen Themen durch hatten, fragte er, ob ich Nachtisch will. Manchmal nehme ich tatsächlich noch eine Pommes Mayo extra, aber an diesem Tag wollte ich das meinem Fettspiegel  nicht zumuten. Corona hat seine Spuren hinterlassen. Zu viel Essen, zu viel Wein, zu wenig Sport.

Dabei bin ich mit meinen eineinhalb Kilogramm über Jahresdurchschnitt noch verdammt gut dran. Wenn am 19. Oktober der Food Environment Policy Index 2021(Food-EPI) für Deutschland vorgestellt wird, werden wir hören, dass 15 Prozent aller Todesfälle und mehr als 17 Milliarden Euro Gesundheitskosten pro Jahr in Deutschland auf unausgewogene Ernährungsmuster zurückzuführen sind. Und mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung starkes Übergewicht hat. Tendenz steigend, nicht zuletzt verstärkt durch die Corona-Situation der letzten 18 Monate.

Nach einer Untersuchung des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin (EKFZ) in Zusammenarbeit mit Forsa, haben 39 Prozent der repräsentativ Befragten während der Pandemie im Durchschnitt 5,5 Kilo zugenommen. Das Problem allein auf die Ernährung zu schieben, greift allerdings viel zu kurz. Denn die lesenswerte Studie zeigt auch, dass 52% der Befragten angaben, sich weniger bewegt zu haben als vor Corona. Wie mir der an dem Projekt beteiligte Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. med. Hans Hauner mal vor Jahren in einem Gespräch verriet, sei in der Bevölkerung die Bedeutung der Ernährung zumindest mit Blick auf die Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu mangelnder Bewegung lange überschätzt worden. Eine überwältigende Anzahl Studien zeigten nämlich, dass Bewegung der Schlüssel zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.

Interessant dazu liest sich auch eine Untersuchung von Forschern des College of Health Solutions der Arizona State University in Phoenix. Wer gesundheitliche Risiken vermindern will, sollte – ich vereinfache das mal sehr – den Fokus nicht auf Gewichtsreduktion legen, sondern auf Bewegung und Sport. Das sei erfolgversprechender. Entspricht absolut meiner Erfahrung. Meine eineinhalb Kilo mehr gehen übrigens definitiv auf das Konto von weniger Bewegung. Gegessen und getrunken hab‘ ich nämlich so viel wie sonst auch.

Der Tag, an dem mich ein Rotwein für knappe drei Euro vom Hocker haute.

Zugegeben, ich hatte schon einige Weine verkostet an diesem Tag im August. Zwanzig, vielleicht auch dreißig mögen es gewesen sein, als mich plötzlich ein purpurfarbener Roter umhaute. Dabei war ich – Doppelschwör! – noch stocknüchtern. Alle probierten Weinschlucke hatte ich bis dahin nämlich ordnungsgemäß im Speikübel versenkt. Schließlich sind im benebelten Zustand kaum verlässliche Beurteilungen möglich, und die galt es zu treffen an besagtem Vormittag.

Was ich über den Wein wusste: Eine Cuvée aus Südafrika, die im Endverbraucherpreis unter zehn Euro kosten sollte. Schon beim ersten Reinriechen schwallte mir das ikonische Aroma der Rebsorte Pinotage entgegen, eine Kreuzung aus Pinot Noir und Cinsault. Ich entdeckte im Duft kräftige dunkle Beerenfrucht mit Noten von provencalischen Kräutern und eingekochten Erdbeeren, was den Wein aber keineswegs marmeladig wirken ließ. Am Gaumen Brombeeren, Schwarze Johannisbeeren, milde Gewürze, im Hintergrund Lakritz, Bitterschokolade und Kaffee, dazu eine gute Struktur mit angenehmen Tanninen und eine erstaunliche Länge. Wahrlich kein belangloses Weinchen – hier passiert richtig was. Ich tippte 89/100 in meine Bewertungstabelle und dachte mir: Wirklich nicht schlecht für einen Wein unter 10 Euro.

Als ich erfuhr, dass dieser Tropfen für nur 2,69 Euro beim Discounter im Regal steht, erschrak ich bis ins Mark. Was zur Hölle hatte ich da beurteilt? Wie konnte ich dermaßen danebenliegen? Denn eins war ja klar: Für 2,69 Euro kann man in Deutschland keinen Rotwein von gehobener Qualität kaufen. Oder doch? Ich probierte noch ein paar Mal nach, fand aber an meiner ursprünglichen Bewertung nichts auszusetzen. Das passte schon mit den 89 Punkten. Also wartete ich bis zum Ende der Verkostungsrunde auf den Moment, wo man mir offenbaren würde, dass ich einen Piraten im Glas gehabt hatte, für zwölfkommahaumichtot Euro. Nur passierte das nicht. Ich fuhr also voller Zweifel über mein Urteilsvermögen heim und ein paar Tage später in den Urlaub.

Den Wein aus der Probe hatte ich schon fast vergessen, als ich zum Einkaufen in der Pfalz bei Aldi-Süd vorbeischaute. Weil’s zuhause nur Aldi-Nord gibt, und die Südfraktion den Ruf hat, mehr exklusives Zeug am Start zu haben als die Kollegen aus dem Norden, durchforstete ich den riesengroßen Neubau ausgiebig nach Angeboten und blieb auch eine Weile in der Weinabteilung stehen. Da erinnerte ich mich plötzlich wieder an den erstaunlichen 2020er African Rock (W.O. Western Cape), Pinotage & Cabernet Sauvignon, den Aldi-Nord verkauft. Ich musste nicht lange suchen, bis ich ihn auch hier fand. Darüber hinaus eine weitere rote Cuvée des African Rock: Pinotage & Shiraz 2019 und 2020, Fairtrade gelabelt – für 2,89 Euro. Nahm ich natürlich beide mit.

Als ich mir das Etikett des 2019er Shiraz & Pinotage genauer ansah, entdeckte ich einen kleinen, runden Aufkleber: Falstaff 88 Punkte. Von einem auf den anderen Moment war ich wieder im Reinen mit meinem Urteilsvermögen. Und als ich im Feriendomizil auf der Website des Genussmagazins Falstaff nach dem African Rock suchte, fand ich auch die 2020er Cuvee aus Cabernet Sauvignon und Pinotage benotet vor: 89/100 Punkte.

Sicher werde ich jetzt nicht meine Überzeugung aufgeben, Wein am besten  im Fachhandel oder beim Winzer vor Ort zu kaufen. Weil dort Probiermöglichkeiten und Chancen bestehen, Weine zu finden, die einem persönlich am besten schmecken. Trotzdem war mir dieser African Rock eine Lehre in Sachen Demut und Vorurteile. Es gibt eben auch gute Weine beim Discounter, mitunter zu sehr günstigen Preisen. Ja, ich höre schon die berechtigten Einwände, von wegen wie sowas möglich ist. Ich weiß es nicht und will gar nicht darüber spekulieren. Was ich aber weiß: Dieser Wein hat mich überzeugt, und ich hätte auch noch bei einem VK von 8 Euro gesagt: tolles Preis-Leistungsverhältnis.

Wer den 2020er African Rock mal probieren will: Am besten mindestens 30 Minuten vor dem Trinken dekantieren. Ich bin übrigens sicher, dass dem Wein noch etwas Lagerzeit im Keller gut tut. Im nächsten Frühjahr oder übernächsten Herbst/Winter wird er sich vermutlich noch etwas harmonischer präsentieren.

Schwarze Holunderbeeren: Eine großartige Erntesaison endet bald.

Vor dem Wacholder soll man die Knie beugen und vor dem Holunder den Hut ziehen, sagt ein Sprichwort. Ganz ehrlich: Ich sehe keinen Grund, vor dem Wacholder in die Knie zu gehen, aber vor dem Holunder zieh‘ ich tatsächlich meinen Hut. Wobei ich – nebenbei erwähnt – mit Kopfbedeckungen jeder Art völlig bescheuert aussehe. Egal ob es sich dabei um einen Strohhut, ein Base Cap, eine Wintermütze oder eine Mörderduschhaube handelt. Aber nehmen wir mal an, ich wäre momentan mit Hut unterwegs – ich würde ihn in Holunderstrauchnähe schon deshalb ziehen, weil dessen Äste oft in Kopfhöhe über dem Weg hängen. Und mit Flecken von geplatzten Holunderbeeren auf dem Hut sieht man erst recht scheiße aus.

 

Immerhin eignet sich so ein Hut prima zum Sammeln der Beeren. In diesem Jahr war die Erntemenge allerdings so reichlich, dass selbst ein eimergroßer Stahlhelm von Hulk beim Sammeln ratzfatz voll gewesen wäre. Dagegen mickerten die Brombeeren, die sich ihre Wuchsplätze gern mit dem Holunder teilen, nur vor sich hin. Vielleicht war das Frühjahr zu kalt und der Sommer zu nass – jedenfalls blieben Größe und Reife der Brombeeren weit hinter meinen Erntehoffnungen zurück.

Obwohl ich Marmeladen und Gelees nur in sehr seltenen Ausnahmefällen esse, macht mir die Herstellung große Freude – immer angespornt von der Herausforderung, einen hohen Gelierungsgrad mit möglichst geringer Gelierzuckersüße zu erreichen.  Das ist bei den Holunderbeeren im Grunde leicht zu schaffen, wenn man die Samenkerne mitgelieren lässt. Nur weckt das knirschende Mundgefühl beim Essen schlimme Kindheitserinnerungen. Wenn am Strand verwehte Sandkörner das Flutschfingereis kontaminierten, man aber trotzdem tapfer weiterlutschte.

Ohne Samenkerne ist eine zuckerarme Gelierung schwieriger zu bewerkstelligen. Ich versuchte es zunächst mit Apfelschalen, die ich braun werden ließ, damit sie mehr Pektin bilden können. Wobei ich Äpfel von einem alten Baum aus dem Garten meines Vaters nutze, die noch nicht überzüchtet sind. Da eingekochte Holunderbeeren einen geringen Säureanteil aufweisen, passt die Säure des Apfels übrigens auch geschmacklich sehr gut. Zum Gelieren reichte es aber leider nicht. Also gab ich noch etwas Gelierzucker dazu, zumal ich die in gängigen Rezepten empfohlene Menge nicht mal zu einem Drittel ausgeschöpft hatte. Was sich nun  tat, war … nichts! Mehr Gelierzucker wollte ich aber nicht verklappen, also gab ich noch etwas Bio-Apfelpektinpulver zu. Nach einiger Standzeit zog die Masse endlich an. Abgeschmeckt hab‘ ich das Holunderbeergelee mit etwas Saft und Zestenabrieb von einer Bio-Limette. Da ich’s selbst nur selten esse, wurde die Produktion zum größten Teil verschenkt. Bisher kam noch keine Rückmeldung. Keine Ahnung, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.

Was Schwarze Holunderbeeren so besonders macht, ist nicht allein der erdig-fruchtige Geschmack, sondern auch ihre Heilkraft. Wie einige andere Früchte enthalten sie einen hohen Anteil des Antioxidans Quercetin mit 170 mg/kg, das – laut einer Studie der LMU München – Tumorzellen eindämmen kann. Roh sollten die Beeren aber nicht gegessen werden, da sie heftige Verdauungsstörungen verursachen können.

 

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