Diabetes und die Frage: Ist gesunde Ernährung eine Sache des Geldbeutels?

Schon bei der Diskussion um einen direkten Zusammenhang zwischen Ernährung und Cholesterinspiegel gibt es mehr Fragen als Antworten, und der kompottsurfer verweist in diesem Zusammenhang immer gerne auf das Buch von Uffe Ravnskov Mythos Cholesterin, weil darin die vermeintliche Gefahrenzone anschaulich hinterfragt wird und der Leser im Anschluss gelassener mit seinen Cholesterinwerten umgehen kann.
Was Diabetes Typ 2 betrifft, zählen Ernährungsfaktoren dagegen durchaus zu den relevanten Ursachen für die Erkrankung. Erst letztens berichtete mir Prof. Dietrich Grönemeyer in einem Gespräch, dass er mit großer Sorge die unter Jugendlichen deutlich zunehmende Erkrankungsrate von Typ-2-Diabetes sieht, früher auch als Altersdiabetes bekannt. Ohne Frage eine besorgniserregende Entwicklung.
Heute erreichte den kompottsurfer nun eine Meldung der Deutschen Diabetes Hilfe, wonach es einen engen Zusammenhang gäbe zwischen Diabetesrisiko und Armut. Nachvollziehbar argumentiert wird da allerdings nicht, sondern lediglich abgeleitet vom unbestreitbar vorhandenem, allgemeinen Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Lage. Es erinnert ein wenig an die leidige Fahrradhelmdiskussion, wonach die Gegner des Helmtragens mit einer Statistik argumentieren, die besagt, Radfahrer mit Helm verunglückten häufiger als Radfahrer ohne Helm. Dabei ist doch die entscheidende Frage eine andere: Was passiert mir, wenn ich ohne Helm mit dem Kopf irgendwo aufpralle und was, wenn ich beim Aufprall einen Helm trage. Der Helm wird schließlich für den Fall des Fallens aufgesetzt.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Prof. Dr. med. Thomas Danne, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe argumentiert so: „Während sich Kinder von Eltern mit hoher Schulbildung und hohem Haushaltseinkommen häufiger nach einem gesunden Ernährungsmuster ernähren, essen Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen eher nach einem ‚süßen Schema‘, das viel verarbeitete und hochkalorische Lebensmittel einschließt.“ Soweit, so gut, wenn wir mal davon ausgehen, dass es für diese Aussage eine belastbare Datenlage gibt. Was ja, wie der kompottsurfer erst kürzlich berichtete, alles andere als selbstverständlich ist. Trotzdem geht hier einiges durcheinander. Hohe Schulbildung und hohes Haushaltseinkommen müssen nämlich nicht zwingend zusammengehören. Und da wir sowohl wissen, dass die Ausgaben der Bundesbürger für Ernährung nur zwischen 10 und 11 Prozent ihres Einkommens ausmachen, als auch, dass eine Ernährung mit süßen sowie industriell verarbeiteten Lebensmitteln nicht unbedingt billiger ist als frisch zubereitetes Essen, fällt das finanzielle Argument praktisch weg, und es bliebe nur die Frage der Schulbildung. Aber da sich längst nicht jeder gut ausgebildete, gut verdienende Bundesbürger gesund ernährt (ich kenne sogar einige Ärzte, die dringend eine Beratung benötigen würden) kann es das auch nicht sein. Zumal man in anderen Regionen Europas wie zum Beispiel Frankreich oder Italien auch bei der einfachen Landbevölkerung oft vorzüglich und gesund zu Hause bekocht wird.
Also was bleibt? Der kompottsurfer sieht den Grund für die missliche Lage in einem mangelnden Ernährungswissen in Tateinheit mit einer immer noch viel zu geringen Bereitschaft vieler Bundesbürger, einen höheren Anteil ihres Einkommens für gute Ernährung auszugeben. Statt Sky Abo, monströses LCD TV, Designerjeans und neuestes iPhone – wie wär’s mal mit täglich frischer Küche. Und wer jetzt mit fehlender Zeit argumentiert, der darf gerne mal alle Minuten zusammenrechnen, die er allein für sinnlose Kommunikation in den sozialen Medien, zielloser Internetsurferei und den Konsum von kompletten DVD-Staffeln verprasst ;-).

Freiheit oder Fressverbote?

In der Holzausgabe des Spiegel berichtet der geschätzte Kollege Ullrich Fichtner über die Initiative von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, Softdrinks in XXL-Format verbieten zu lassen. Hintergrund: Rund 65 Prozent aller erwachsenen US-Bürger gelten als übergewichtig. Eine tickende Kalorienbombe, die das amerikanische Gesundheitssystem zu sprengen droht, so explosiv entwickeln sich die Kosten durch Folge-Erkrankungen von Übergewicht.
Nun will Bloomberg XXL-Füllungen bei Softdrinks verbieten lassen, um ein Zeichen gegen unkontrollierte Kalorienzufuhr zu setzen. Zugleich begrüßte er aber Amerikas Nationalfeiertag des Donuts, der in den USA am 1. Juni gefeiert wurde. Lassen wir mal die aberwitzige Widersprüchlichkeit von Bloombergs Verhalten Außen vor und stellen uns mal nicht nur die Frage, ob die Verbote tatsächlich etwas bewirken können. Denn es geht um mehr: Freiheit.
Wie stark darf der Staat das Konsumverhalten seiner Bürger einschränken, ohne deren Freiheit zu tangieren? Wo fängt die Freiheit des Einen an, wo hört die des Anderen auf? Bei Zigarettenkonsum fällt die Abgrenzung noch vergleichsweise leicht. Wer raucht und dabei andere mit seinem Qualm belästigt oder sogar auf Dauer schädigen könnte, muss seiner Lust, seinem Laster, wie auch immer, dort frönen, wo er Nichtraucher nicht stört. Nun könnte man auch versuchen, die Logik auf den Konsum von Alkohol anzuwenden. Nach dem Motto, wer Alkohol trinkt, gefährdet den Straßenverkehr, die Kommunikation in der Familie, die Arbeit in der Firma. Wer aber Single ist, dazu Rentner und Alkohol nur Zuhause trinkt und danach nicht vor die Tür geht, der sollte keine direkte Gefährdung für die Allgemeinheit darstellen. Oder?
Aber was ist nun mit den Übergewichtigen? Wen gefährden sie direkt, wenn sie zuviel essen? Tja, da wird die Argumentation schon schwieriger, und deshalb wird das Feld der Folgekosten beackert. Die Kostenexplosion belastet das Gesundheitssystem und deshalb unser aller Freiheit, eventuell weniger Beiträge zahlen zu müssen. So könnte man argumentieren. Ein, zwei Gedanken gesammelt und schon fällt auf, dass man dieses Argument auf Raucher und Trinker ebenfalls anwenden kann. Zusätzlich zu den anderen Argumenten. Risikosportler fielen mir auch noch ein und Leute, die körperliche Aktivität für ein Kapitalverbrechen halten. Wer lange genug sucht, wird bei einem erheblichen Teil unserer Gesellschaft Verhaltensweisen und Konsum entdecken, der relevante gesundheitliche Folgekosten nach sich ziehen könnte.
Aber was ist mit der Freiheit zur Selbstzerstörung? Die sollte doch jeder haben, oder vielleicht doch nicht? Weil nämlich vor jeder Selbstzerstörung der Kostenapparat angeworfen wird, um die Selbstzerstörung hinauszuzögern. Und schon sind wir wieder bei den Krankenversicherungsbeiträgen und dem Argument, dass die Gemeinschaft der Versicherten für das vermeintliche Fehlverhalten der anderen mitbezahlen muss. Wie schwer aber wiegt dieses Fehlverhalten? Wie falsch parken? Wie betrunken Autofahren?
Man könnte dieses Spiel endlos weitertreiben. Am Ende aber ist es eine Frage der Abwägung, wie auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen bei Ernährung und Genussmitteln reagiert werden muss. Natürlich sollten Nahrungsmittel verboten werden, wenn sie akut gesundheitsgefährdend sind. Darüber dürfte Einigkeit herrschen. Aber ist EINE XXL-Cola gesundheitsgefährdend? Oder ZWEI XL-Colas? Von allen Möglichkeiten, das Problem des Übergewichts in den Griff zu bekommen, ist die Regulierung von Gebindegrößen nach Ansicht des kompottsurfers die patentiert haarsträubendste Idee.

Teller des Schreckens: Neunjährige Schottin bloggt über ihr Schulessen.

Ein Beitrag in der Holzausgabe des aktuellen stern machte mich neugierig auf das, was die neunjährige Schülerin Martha Payne aus Schottland Tag für Tag über ihr Schulessen bloggt. Mindestens so eindrucksvoll wie ihre Beschreibungen in ihrem Blog auf NeverSeconds sind ihre dokumentarischen Fotos. Der kompottsurfer weiß, dass Schulessen auch in Deutschland kaum besser aussieht – und schmeckt. An der Schule meines Sohnes zum Beispiel werden die Kinder und Jugendlichen mit dem Kantinenfraß – anders kann man es leider nicht bezeichnen – einer Behörde abgespeist, der in unvertretbaren Maß aus Pommes, Mayonnaise, Wurst und Schnitzel besteht.
Jamie Oliver engagiert sich schon seit vielen Jahren für besseres Schulessen, nicht nur in Großbritannien. Er wird auch nicht müde, seine Botschaft in die Welt zu tragen, wie ein Vortrag in den USA (s. unten) verdeutlicht. Der kompottsurfer kann über die allgemeine Ernährungslage in den USA keine Einschätzung aus erster Hand treffen, für Deutschland aber sehr wohl. Und hier bleibt – allen erfolgreichen Kochsendungen im Fernsehen zum Trotz – der Qualitätsanspruch ans Essen weiterhin bescheiden. Entscheidend ist nach wie vor der Preis.
In Deutschland, so erläuterte es mir einmal Frau Dr. Monika Hartmann, Professorin für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms-Universität Bonn, reagieren die Verbraucher besonders sensibel auf Preisveränderungen bei Lebensmitteln. Entsprechend logisch ist der Preiskampf, den sich die Discounter bei Preisen für Milch, Butter, vor allem aber Fleisch liefern. Obwohl dieser Preiskampf im Grunde nur eines dokumentiert: den Irrweg, den Verbraucher in Tateinheit mit Erzeugern, Industrie und Handel beschritten haben.
Aber zurück zum Schulessen. Frau Prof. Hartmann bestätigte mir, dass es eine inverse Relation von Ernährungswissen und Ernährungsweise von Kindern und Jugendlichen zum Bildungsstand der Eltern gibt. Die Erkenntnis ist schon seit einiger Zeit Gewissheit. Nur passieren tut fast nichts. Ein Ansatzpunkt, gerade Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien zu fördern, und das nicht nur in Hinblick auf eine Verbesserung des Ernährungswissens, wären Ganztagsschulen, sagt Hartmann. Sie böten die Möglichkeit, auch jungen Menschen, bei denen frisches Obst, Salat und Gemüse zuhause nicht oder selten auf dem Speiseplan stehen mit diesen Produkten vertraut zu machen. So weit die Theorie. Nur wenn das Essen dann so aussieht wie bei Martha, dann ist es am Ende natürlich völlig egal, wo es die Schüler in sich reinschaufeln. Was es braucht, ist ein Pflichtfach Ernährung und Kochen in der Schule, findet der kompottsurfer. Unabhängig davon, welche berufliche Richtung die Schülerinnen und Schüler später einschlagen, könnte kein anderes Fach für das spätere Leben eine so hohe praktische Relevanz vorweisen wie das Kochen. An diesem Punkt sollte angesetzt werden.
Ach ja: Die EU hat 2009 ein internationales Schulobstprogramm aufgelegt, das im März 2010 hierzulande gestartet wurde und in NRW vom Lehrstuhl von Frau Prof. Hartmann begleitet wird. Fazit nach zwei Jahren Laufzeit: NRW hatte sich seinerzeit bewusst dazu entschieden, den Erfolg des EU-Schulobstprogramms nicht an der Gewichtsentwicklung der beteiligten Kinder und Jugendlichen zu messen sondern anhand einer Umfrage. „Bei weit über 100 identifizierten Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Übergewicht sei ein Nachweis der Einflussnahme auf die Gewichtsentwicklung durch Schulobst nicht zu erbringen“, heißt es zur Begründung, die durchaus plausibel erscheint, aber letztendlich mit Vorsicht zu genießen ist, eben weil die Aktion lediglich auf ihre marketingtechnische Wirkung untersucht wurde und nicht auf ihre tatsächliche gesundheitliche, die ja weit mehr umfasst als nur die Entwicklung des Körpergewichts. Immerhin, es wäre ein guter Anfang, wenn in den Köpfen tatsächlich schon etwas passiert ist. Sogar ein wichtiger.

Nach der Einführung in Frankreich: Cola-Steuer auch in Deutschland sinnvoll?

Wie ich gestern Abend im Netz lesen konnte, hat die geplante Cola-Steuer in Frankreich ihre letzte Hürde genommen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die neue Abgabe wurde von den Richtern abgewiesen. Damit ist der Weg frei für eine Steuer, deren vorgeblicher Zweck die Gesundheitsfürsorge sein soll. In Zeiten hochnotklammer Haushaltskassen wirkt diese hehre Absicht allerdings reichlich unglaubwürdig.
Bereits im Juli dieses Jahres forderte Thomas Danne, Chefarzt der Kinderklinik Hannover, medienwirksam via BILD die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke in Deutschland, um Diabetes und Adipositas besser bekämpfen zu können. Diesem Mann ist es abzunehmen, dass er tatsächlich ein Gesundheitsinteresse hat. Und natürlich liegt er mit dem Vorschlag, dass gegen den hohen Zuckerkonsum etwas getan werden muss, auch überhaupt nicht daneben, wie der kompottsurfer findet. Aber muss es die Einführung einer Steuer sein? Und warum der Begriff Cola-Steuer? Warum nicht Nutella-Steuer? Schließlich kann der von diversen Fußballprofis geförderte Nutellakonsum ähnliche Zuckermengen in kariesgeplagte Kindermünder bringen. Von den versteckten Zuckergaben in Ketchup und zahlreichen anderen Lebensmitteln ganz zu schweigen.
Der kompottsurfer findet, dass die Steuer nicht der richtige Ansatz ist, wenn man es mit der Gesundheitsfürsorge ernst meint. Besser wäre es, auf stark zuckerhaltige Genussmittel eine Altersbegrenzung wie beim Alkohol einzuführen. Dann können Kinder vor und nach der Schule  wenigstens nicht mehr unkontrolliert Süßzeug einkaufen und konsumieren.

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