„Die Bundesregierung hat die Bevölkerung beim weltweit größten EHEC-Ausbruch im Frühjahr 2011 bewusst getäuscht.“ Diese drastische Formulierung wählten die Verantwortlichen von foodwatch nach Auswertung der Akten. Man könnte das jetzt für medienwirksame Übertreibung halten, allerdings soll das zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) bestätigt haben, dass die Ursachen der Epidemie, an deren Folgen in Deutschland 53 Menschen starben, weitgehend ungeklärt sind. Mindestens 87 Prozent aller gemeldeten EHEC-Fälle sollen ohne Klärung der Ansteckungsursache zu den Akten gelegt worden sein.
Der kompottsurfer hatte seinerzeit umfänglich über die EHEC-Geschehnisse berichtet. Und es war damals schon abzusehen, dass die Klärung der Ursachen kompliziert werden würde. Wenn aber nun das stimmt, was foodwatch behauptet, nämlich dass die Verlautbarung der Bundesregierung „Bockshornkleesamen aus Ägypten sowie Sprossen und Keimlinge, die daraus gezogen wurden, waren für den Ausbruch verantwortlich“ wider besseres Wissen herausgegeben wurde, dann ist das ein handfester Skandal. So soll eine Gesamtliste mit allen 3.842 EHEC-Erkrankungen, die Verbindungen zu dem Sprossenbetrieb aufzeigen, nie existiert haben. Wie foodwatch mitteilt, soll das RKI bereits eingestanden haben, lediglich 500 Fälle seien untersucht und aufgelistet worden.
Was können wir daraus schließen? Beruhigungspillen sind anscheinend wichtiger als Aufklärungsarbeit. Die nächste Lebensmittelverseuchung wird kommen, und dann fliegt den Verantwortlichen vielleicht das unzureichende EHEC-Krisenmanagement um die Ohren.
Schlagwort: EHEC
Das beste Jahr des kompottsurfers ist abgefrühstückt. Allen Lesern einen guten Rutsch und ein gesundes und genussvolles 2012

Satte 49 Prozent mehr Leser brachte dem kompottsurfer das Jahr 2011, und darüber herrscht hier natürlich große Freude zum Jahresabschluss. Dass ausgerechnet die sehr unerfreuliche Thematik der EHEC-Krise zu den höchsten Tagesbesuchswerten beigetragen hat, dokumentiert sowohl das Maß an Verunsicherung in Deutschland als auch einen hohen Informationsbedarf. Auch wenn vieles dafür spricht, dass uns in den nächsten Jahren weitere Lebensmittelskandale ins Haus stehen, hofft der kompottsurfer natürlich das Gegenteil.
So, das war’s für 2011. Rutscht gut rein! Prost!
EHEC: Jetzt ist er da, der Hygiene-GAU
Nichts wäre dem kompottsurfer lieber gewesen als dass seine Befürchtungen hinsichtlich der Ausbreitungswege von EHEC durch Schmierinfektion nicht so krass bestätigt worden wären wie mit dem heute bekannt gewordenen Fall, wo im Rahmen einer Familienfeier in Niedersachsen, die von einem nordhessischen Catering Service beliefert wurde, 20 der 65 Gäste erkrankten. Nach Angaben des Hessischen Gesundheitsministeriums ist der Erreger im Verlauf des Zubereitungsprozesses auf die Speisen gelangt.
Die an dieser Stelle seit Ausbruch der Seuche wiederholt formulierte Kritik gegenüber den verantwortlichen Stellen, bei ihren Warnungen immer die Produkte und deren Herkunft in den Mittelpunkt zu rücken statt die Hygienefrage, kann der kompottsurfer nur erneuern. Eine solche Schwerpunktsetzung führt – völlig erwartbar – dazu, dass der Hygienefrage in der Bevölkerung weit weniger Bedeutung beigemessen wird als nötig. Hygienehinweise wurden von verschiedener Seite zwar gegeben, aber sie standen immer deutlich an zweiter Stelle, nach den Produktwarnungen. Und jetzt haben wir den Salat. Die verantwortlichen Stellen müssen sich fragen lassen, ob sie die Gefährdungen durch Schmierinfektionen weiterhin so geringschätzig einstufen wollen wie bisher. Das aktuelle Beispiel zeigt, wie schnell ein gefährlicher Erreger den Weg durch die Republik finden kann. Man stelle sich nur vor, das Catering wäre für ein Volksfest vorgesehen gewesen.
Aktuelle Meldung zu EHEC: Rezeptbasierte Restaurant-Kohortenstudie liefert Sprossen als Verursacher. Tomaten, Gurken und Blattsalate von der Verzehrwarnung ausgenommen
Auf der gerade laufende Pressekonferenz beim Bundesinstitut für Risikobewertung zum Thema EHEC – der kompottsurfer sieht’s gerade live auf n-tv – wird verkündet, dass die Ursache für den EHEC-Ausbruch den Sprossen zuzuordnen ist. Aber es gelang kein direkter Nachweis. Möglicherweise sei die Quelle versiegt. Aber der Ausbruch ist noch nicht vorbei, heißt es. Die Zuordnung von EHEC zu den Sprossen aufgrund einer Indizienkette, geschieht auf Basis eines neues Verfahrens, das Rezeptbasierte Restaurant-Kohortenstudie heißt und auf Basis von Modellrechnungen Wahrscheinlichkeiten liefert. Es liegt demnach ein neunfach erhöhtes Risiko für EHEC-Erkrankungen durch Sprossenkonsum vor. Obwohl der von den Behörden als Verursacher klar ausgemachte Betrieb auch andere Gemüsesorten als Sprossen vertreibt und vertrieben hat, werden die Verzehrwarnungen für die anderen Lebensmittel aufgehoben. Schon merkwürdig.
Die Hygienempfehlungen sollen aber weiter strikt beachtet werden, heißt es von Seiten des BfR. Die Beendigung der Verzehrwarnung geschieht auf Basis einer Neubewertung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Bei der Pressekonferenz waren Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Prof. Dr. Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts und Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg, Präsident des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anwesend. Bei Nachfragen einiger Journalistenkollegen wirkten einige der Herren doch reichlich unwirsch. Daraus könnte man die Spekulation ableiten, dass der Druck auf die beteiligten Behörden und Institutionen, den Verzehrverzicht für Tomaten, Gurken und Salat aufzuheben, immens groß war. Denn wirklich sicher wirkten die Herren in ihrer Argumention nicht. Und überzeugend leider auch nicht.
Warum der kompottsurfer skeptisch bleibt und die Entwarnung für verfrüht hält, ist dem Posting von heute früh zu entnehmen.