Steigende Lebensmittelpreise und was daran gut ist

Preiserhöhung bei Lebensmitteln: Beim Bauern kommt nichts an

Nirgendwo in der Welt, so scheint es, sind die Konsumenten bei Lebensmitteln so preisempfindlich, wird der Preiskampf in Supermärkten und bei Discountern so erbittert geführt wie in Deutschland. Diesen Eindruck bestätigte mir im letzten Jahr auch Monika Hartmann, Professorin für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn, mit der ich in einem Interview über die Lebensmittelampel und Kennzeichnungspflicht sprach.
Besonders Preisveränderungen bei Schlüsselprodukten wie Butter, Milch, Kaffee und Brot nehmen die Verbraucher in Deutschland sehr genau wahr, weshalb die Handelsketten mit Preiserhöhung dort am vorsichtigsten sind. Und in diesen Segmenten enormen Druck auf die Erzeuger und die verarbeitende Lebensmittelwirtschaft ausüben, um die Preise halten zu können. Welche Folgen das auf die Produktions-, Arbeits- und Haltungsbedingungen in den jeweiligen Erzeugerländern hat, ist schon erschreckend genug. Dazu kommt das wachsende Spekulationsgeschäft mit Lebensmitteln an den Rohstoffbörsen (der kompottsurfer berichtete). Regulierungsmaßnahmen sind da aus Sicht des kompottsurfers durchaus in Betracht zu ziehen.
Steigende Lebensmittelpreise sind bei der Konsumentenmehrheit vermutlich nur dann vermittelbar, wenn deutlich wird, dass davon die vielen kleinen, am Existenzminimum wirschaftenden Erzeuger profitieren. Dass Qualität ihren Preis hat, wird beim Verbraucher hierzulande mehrheitlich scheinbar weiterhin nur auf den Autokauf bezogen begriffen.
Aber das Tiefkühlpommes, wie Spiegel Online berichtet, mit 43 Prozent Preisanstieg innerhalb eines Jahres verteuert wurden, finde ich aus ernährungsphysiologischer Sicht eine wirklich gute Nachricht. In dem Beitrag wird auch erläutert, dass von den meisten Preiserhöhungen beim Erzeuger offensichtlich nichts hängen bleibt.

ARD-Themenwoche Ernährung (II): Gute Argumente bei Maischberger

Was bin ich dankbar für diese Sendung bei Maischberger von heute Abend in der ARD-Themenwoche Ernährung: Karotten gegen Krebs, Fisch gegen Herzinfarkt – ist Essen die beste Medizin? Mit den Ärzten Dr. Gunter Frank und Dr. Werner Bartens waren zwei überzeugende Gäste dabei, die – ohne jeden Dogmatismus – nicht nur klarstellten, dass Essen keine Medizin ist und das vermaledeite Functional Food eine Veräppelung des Verbrauchers, sondern dass es belastbare Studien braucht, um wissen zu können, was Ernährung bewirken kann und was nicht.
Die Frontlinien zwischen Frank und Bartens auf der einen – und TV-Köchin Sarah Wiener sowie Klinik-Chefin Dr. Francoise Wilhelmi de Toledo auf der anderen Seite, dürften hinichtlich der präferierten Ernährungsempfehlungen kaum zu erkennen sein, so nah liegen sie beieinander, was in der Sendung vielleicht nicht deutlich genug wurde. Aber darum ging es thematisch ja auch gar nicht. Und genau das schienen Sarah Wiener und de Toledo leider nicht zu verstehen. Sie machten auf mich den Eindruck eines Kirchgängers, der mit dem festen Glauben, dass ihn Gebete gesund machen, missioniert, so wie sie die positiven gesundheitlichen Wirkungen von vielen Nahrungsbestandteilen postulierten, obwohl sie es schlichtweg nicht wissen können, weil es nicht belegt ist.
Um nicht misverstanden zu werden: Jeder soll seinen Weg finden dürfen, aber wenn individuelle Erfahrungen als allgemeingültige Erkenntnis in die Welt gesendet werden, wird der Weg der verantwortungsvollen Darstellung verlassen. So erfreulich und wunderschön die Heilung von Todkranken auch ist – sie sollte immer im individuellen Kontext gesehen werden und nicht für moralische Feldzüge missbraucht werden. Was in diesem Zusammenhang an Falschinformation verbreitet wird, wurde in der Sendung auch gleich deutlich, als ein von schwerstem Krebsleiden geheilter Gast von Darmreinigung und Entschlackung redete, was Frank und Bartens zum Glück schnell richtigstellten. Der Mensch braucht nun mal keinen gereinigten Darm, bloß das nicht, und eine Entschlackung des Körpers gibt es ebensowenig wie Poren im Fleisch, die beim Braten verschlossen werden. Aber solche Geschichten wird die Welt vermutlich nie los.
An einer anderen Stelle hieß es, der Mensch hätte seine Probleme damit, ja, er sei gar nicht dazu gemacht, tierische Eiweiße aufzuspalten und deshalb sollte er auf die Zufuhr möglichst verzichten. Jeder Evolutionsbiologe droht bei solchen Aussagen einen Lachkrampf oder vor Schreck einen Herzinfarkt zu bekommen, weil sich der Mensch überhaupt erst durch den Konsum von tierischem Eiweiß und hochwertigen tierischen Fetten entwickeln konnte. Auch Sarah Wiener machte mit einigen Aussagen zu Nahrungsempfehlungen bei Erkrankungen aus meiner Sicht eine unglückliche Figur. Dass sie es gut meint, steht natürlich außer Frage. Aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Und wer wüsste das besser als Köche.
Alles in allem aber eine sehr gute Sendung, und Sandra Maischberger gelang es zumeist auch, ein Abdriften der Diskussion in abseitige Gebiete zu verhindern. Alle die’s verpasst haben, können vielleicht auf eine baldige Online-Verfügbarkeit in der ARD-Mediathek hoffen.

Warum das Nein zur Ampel kein Sieg der Lebensmittelindustrie ist

Die Nährwertampel

Verbraucherschützer gegen Lebensmittelindustrie – was wie die Ansetzung einer Fußballpartie klingt, wurde von einigen Medien und Organisationen wie foodwatch immer wieder als Kern der Auseinandersetzung um eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel dargestellt. Und auch der kompottsurfer – das muss ich an dieser Stelle selbstkritisch feststellen – hat in den letzten Jahren reichlich zu diesem Lagerkampf beigetragen.
Inzwischen ist mir aber klargeworden, dass eine solche Art der Auseinandersetzung die Sache nicht voranbringt. Es sind ja keinesfalls nur die Lobbyisten der Industrie, die eine Ampel ablehnen. Auch unabhängige Wissenschaftler kritisieren das Modell als unzureichend bis fragwürdig. Ein auf Kampf gegen das vermeintlich Böse, die große Lebensmittelindustrie, ausgerichtetes Vorgehen verstellt jedenfalls den Blick aufs Wesentliche. Und das Wesentliche ist aus meiner Sicht, eine Kennzeichnung zu etablieren, die nicht nur plakativ ist, sondern den Erfordernissen an eine gesunde Ernährung gerechter wird.
Hier noch mal wesentliche Punkte im Überblick, die gegen die Ampel sprechen:
1. Festlegen von Grenzwerten über alle Produktgruppen hinweg. Nüsse haben Fette, aber viele davon sind gesund. Sind also Diätjoghurts wirklich empfehlenswerter als Nüsse? Kann ich Brot mit Käse vergleichen?
2. Kunstprodukte wie Cola Light bekommen durchweg Grün.
3. Die Ampel suggeriert eine grundsätzliche Bewertung des Lebensmittel an sich.
4. Das tatsächlich Kaufverhalten des Verbrauchers in Bezug auf eine Kennzeichnung ist überhaupt noch nicht umfänglich erforscht. Bekannt ist lediglich, dass die Ampel verstanden wird. Ob sie wirklich wirkt, hätte zunächst breit angelegt untersucht werden müssen. Letzteres gilt selbstverständlich auch für andere Kennzeichnungen.
Und was spricht gegen die jetzt beschlossene GDA-Kennzeichnung (Guideline Daily Amount)?
1. Zu ungenau. Orientiert am Tagesbedarf einer Frau mittleren Alters mit durchschnittlicher körperlicher Aktivität.
2. Portionsgrößen sind zu klein definiert, wodurch die Nährwerte aufgehübscht werden.
3. Die Grenzwerte, zum Beispiel bei Zucker, gelten bei Ernährungswissenschaftlern als umstritten.
4. Wird Untersuchungen zufolge schlechter verstanden als die Ampel.
5. Wie bei der Ampel: Auswirkungen auf das tatsächliche Verbraucherverhalten sind nicht erforscht.

Wie könnte eine langfristige Lösung aussehen?

Es müssten unabhängige Studien in Auftrag gegeben werden, die das Kaufverhalten in Bezug auf unterschiedliche Kennzeichnungen umfänglich untersuchen. Erst daraus ließe sich ein tatsächlich wirksames Kennzeichnungssystem entwickeln.

EU: Knapper, aber noch nicht entscheidender Beschluss gegen Nährwertampel gefallen. Medien blicken teilweise nicht mehr durch

Die Nährwertampel

Es war möglicherweise nur ein Pyrrhussieg, den die Kritiker der Nährwertampel heute im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments errungen haben. Mit den denkbar knappsten Ergebnissen von 30 zu 30 beziehungsweise 32 zu 30 Stimmen lehnte der Ausschuss zwei Antragsvorlagen zur Kennzeichnungspflicht ab. Jetzt muss das Parlament entscheiden, und da ist bei einer derart knappen Lage keineswegs gesagt, dass die Ampel nicht doch noch kommt.
Mit Taschenspielertricks hatten die Kritiker der Ampel, nicht zuletzt die große Lebensmittelindustrie, in der Vergangenheit immer wieder für Verwirrung gesorgt. So wird zum Beispiel gerne das Beispiel Bio-Apfelsaft versus Cola Light angeführt. Durch Weglassen wichtiger Details heißt es dann in den Nachrichten, zum Beispiel heute auf 1Live im WDR-Radio, dass Cola Light eine grüne und Bio-Apfelsaft eine rote Ampel bekäme. Ähnlich unzulänglich war auch schon im Zusammenhang mit Vollkornbrot und Weißbrot von Bundesregierungsseite argumentiert worden (der kompottsurfer berichtete), denn im Ampelsystem gibt es nicht nur ein Signal sondern mehrere zu bewertende Aspekte. Eine Cola Light, die weder Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz enthält, hätte durchgängig grüne Kennzeichnungen. Ein Bio-Apfelsaft hat in jedem Fall drei grüne Kennzeichnungen, eventuell die vierte in Gelb, wegen des Fruchtzuckers, in manchen Fällen vielleicht sogar Rot. Cola Light ist also nicht besonders gesund, was die grünen Farben ja auch gar nicht symbolisieren sollen, sondern enthält – im Gegensatz zum Apfelsaft – nur keinen Zucker. Die Ampel ist eben keine Universalkennzeichnung für gute oder schlechte Lebensmittel, sie ist nicht mehr oder weniger als eine schnell wahrnehmbare Orientierung für enthaltene Nährwerte. Die Verbraucherlizenz zum genauerem Hingucken. Die Ampel deswegen abzulehnen, weil sie nicht auch noch auf alle Probleme der Inhaltsstoffe eingehen kann, lässt die Verschleierer aus der Industrie nur noch mehr jubeln.

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