Vom Genuss alter Weine

Läuft bei mir gerade nicht. Ich sag‘ nur: Augen auf beim Geländelauf! Downhill, Kurve, Wurzel, Rumms. Vorderes Kreuzband gerissen, Meniskus gerissen, dazu diverse kleine Kollateralschäden. Operation unumgänglich, und das kurz vor Weihnachten.

Nun ist ja die Einkauferei vor den Feiertagen schon mit gesunden Haxen abstrengend genug. Auf eineinhalb Beinen mit Gehstützen mag man sich die Sache gar nicht erst ausmalen, es sei denn man ist Masochist. Immerhin können heutzutage Online-Bestellungen das Problem mildern. Beim Kochen aber schlägt die Unbeholfenheit voll durch. Jeder, der mal an Krücken in der Küche gewirkt hat, weiß, was ich meine. Zubereitungstechnisch anspruchsvolle Gerichte kann man da vergessen.

Da heißt es also, früh genug den Druck rausnehmen, und sich irgendwie auf leichte Art und Weise Genuss verschaffen, wenn man sich das Fest nicht verderben will. Zum Beispiel hätte ich mir eine Trüffelknolle bei Bosfood bestellen, und einfach über schlichte Pasta oder Kartoffelsuppe hobeln können – die Sache mit dem Essen wäre geritzt gewesen. Aber diese Lösung fiel mir leider erst viel zu spät ein. Vielleicht lag die Einfallslosigkeit  am Oxycodonrausch, den mir die Ärzte im Krankenhaus genehmigten, weil so eine Operation am Kreuzband schon reichlich autsch ist. Klar denken war da nicht. Also keine Trüffel. Stattdessen Lammkeule mit Wurzelgemüse in den Ofen geschoben. Notlösung.

Glücklicherweise war mir aber noch ein anderer Gedanke gekommen, wie ich dem drohenden Genussmangel zu Weihnachten entkommen könnte: Ich nahm Kontakt zu meinem alten Weinfreund Uwe Bende auf, der viele Jahre auch bei uns in der Jury zum rewirpower-Weintest aktiv war. Uwe hat sich schon lange auf den Handel mit Weinraritäten spezialisiert. Mit großem Erfolg sucht er in ganz Europa nach außergewöhnlichen alten Flaschen, die oft über Jahrzehnte vergessen in tiefen Kellern schlummerten.

Mit dem Aufstöbern allein ist es für ihn aber meist nicht getan. Schließlich gilt es sicherzustellen, dass es sich bei den Weinen nicht um Fälschungen handelt. Und da ufern seine Recherchen gelegentlich in echte Detektivarbeit aus. Um kein Opfer betrügerischer Offerten zu werden, geht Uwe Bende weit zurück in die Vergangenheit, beschäftigt sich mit den Abläufen der Abfüllung im 19. und frühen 20. Jahrhundert, dem Design der Flaschen zu dieser Zeit, den Lagenbezeichnungen auf den Etiketten. Mir erzählte er mal: „Wer nicht weiß, wie eine mundgeblasene Flasche oder ein gezogener Hals aussieht und auch die Merkmale nicht kennt, die gewissen Zeiten zuzuordnen sind, der erwischt viel schneller mal eine gefälschte Flasche. Zu den besonders häufig gefälschten Raritäten zählen die Flaschen des renommierten belgischen Abfüllers Vandermeulen, der von Beginn des 20. Jahrhunderts bis etwa 1955 nicht zuletzt zahlreiche Premier Cru aus dem Bordeaux vom Fass auf die Flasche füllte. Die Vandermeulen-Flaschen weisen zahlreiche unverkennbare Merkmale an der Flasche, an der Kapsel und am Korken auf. Das Problem ist nur, dass der Korkbrand nicht das Château, also den Erzeuger des Weins kennzeichnet, sondern den Abfüller Vandermeulen. So kann mit einem einfachen Austausch des Etiketts aus einem mittelklassigen Bordeaux ein 1er Cru Classé gezaubert werden. Am besten kaufst du als Raritätensammler also direkt aus einem Keller, wo erkennbar ist, dass die Flaschen dort mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Jahrzehnten nicht bewegt wurden.“

Es ist erstaunlich, wie sehr der Handel mit alten Weinen floriert. Vor allem wenn sich runde Geburtsjahrgänge mit sehr guten Weinjahrgängen überschneiden, wird das Geschäft interessant. Für 2020 ist damit zu rechnen, dass es einen Run auf 1970er Bordeaux geben wird, der beste Jahrgang zwischen 1961 und 1982, zudem war das Jahr mit hohem Ertrag gesegnet. Aber Vorsicht!  „Viele Weinsammler werden relativ schnell blind, wenn der Preis außergewöhnlich attraktiv ist. Und nicht selten entpuppt sich ein Schnäppchen später als Fake. So findet man immer mal wieder gefälschte Flaschen bei eBay und auch bei Auktionveranstaltungen im In- und Ausland,“ warnt Uwe.

Ich hatte mir nun also bei Uwe einen alten St. Emilion geordert: 1962 Château Magnan La Gaffeliere. In St. Emilion erwachte Mitte der 1980er Jahre meine Liebe zum Wein, damals beim Besuch eines Grand Cru Weinguts mit einem anschließenden Abendessen im Privathaus der Eigentümer. Werde ich nie vergessen. Château Magnan La Gaffeliere übrigens zählt seit zwei Jahren zum Besitz des Hauses Jean-Pierre Moueix, unter anderem auch Eigentümer des legendären Château Petrus in Pomerol. Magnan La Gaffeliere hat heute den Status eines Grand Cru.

Und wie war sie nun, die Begegnung mit dem Wein aus 1962? Kurz gesagt: Faszinierend! Erstaunlich, wie gechmeidig sich dieser eher kleine Wein aus dem guten, oft unterschätzten Jahrgang 1962 noch präsentierte. Natürlich haben derart reife Weine in Farbe, Geruch und Geschmack kaum noch etwas gemein mit genussreifen jüngeren Tropfen. Das sollte der Konsument auf dem Schirm haben. Die Farbe am Glasrand zeigte deutliche Orange- und Bernsteintöne. In die Nase stieg ein Duft aus Nuancen von Zedernholz, Tabak und erdigen Noten. Im Geschmack kaum mehr Tannine spürbar, was zu erwarten war, trotzdem blieb dieser Wein noch bis zum letzten Schluck stabil. Und so hatte ich ihn dann doch noch, meinen Genussmoment zu den Feiertagen.

ProWein 2018: der kompottsurfer zwischen Südpfalz und Südafrika (I).

Machte ich aus der ProWein eine nüchterne Angelegenheit, würde ich mich auf die Zahlen beschränken, die der Veranstalter am Ende der internationalen Fachmesse in Düsseldorf Jahr für Jahr in einer Meldung zusammenfasst: 6.870 Aussteller aus 64 Nationen waren da und haben an drei Tagen über 60.000 Fachbesuchern aus 133 Ländern ihre Kollektionen vorgestellt. Erste Überraschung, jedenfalls für mich: Italien führt die Nationenwertung an mit 1.700 Ausstellern, vor Frankreich (1.550) und Deutschland (990). Produzenten aus Übersee waren immerhin mit 700 Ausstellern vertreten. Alles in allem mehr Aussteller und mehr Besucher als im Vorjahr, ein voller Erfolg also, wie Hans Werner Reinhard, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf betont: „Wer die Themen Wein und Spirituosen zu seiner Profession gemacht hat, kommt an der ProWein in Düsseldorf einfach nicht vorbei.“ Warum ich an den Spirituosen sehr wohl vorbei bin, hatte ich ja kürzlich schon erläutert.

Eine Weinmesse nüchtern zu betrachten macht allerdings keinen Spaß, was nicht heißt, dass man dort als ernsthaft arbeitender Journalist – also echt gezz, kein Grund zu lachen – einen hohen Pegelstand anstrebt. Im Gegenteil. Jeder Probierschluck Wein wurde ordnungsgemäß in den Spucknapf befördert, was mir bei so manchem Wein wirklich leid tat. Aber im angetrunkenen Zustand wäre man nun mal nicht mehr in der Lage, beim nächsten Winzer im Vollbesitz seiner degustatorischen Fähigkeiten ins Glas zu schauen und zu probieren.

Mir kam es in diesem Jahr aber so vor, als zählte ich zum eher kleinen Kreis der Zurückhaltenden. Den passenden Slogan zu meinem Eindruck lieferte der Spruch eines jungen Mannes, der sich später als Filialleiter einer bekannten deutschen Einzelhandelskette zu erkennen gab: „Was ist ein Spucknapf?“ Nur schwang nicht der Hauch von Ironie bei dieser Frage mit. Er schien mir zur tendenziell hemmungslosen Betankungsgruppe zu gehören, die einen nicht völlig unerheblichen Teil des Publikums ausmachte. Sollte das jetzt irgendwer als Kritik interpretieren – ist nicht so gemeint. Wenn man am Ende einer Weinmesse nicht mit Promille nach Hause gehen darf, wann dann?  Damit gerechnet, dass einige sogar mit Promille Auto fahren würden, hatte in jedem Fall die Polizei, denn es wurde von einigen Kontrollen rund um den Messeort berichtet. Angesichts zahlreicher Warmstreiks beim ÖPNV in NRW waren möglicherweise mehr Besucher als sonst ein gewisses Promillerisiko eingegangen.

Ist ja auch verdammt schnell passiert, bei einer Weinmesse aus Versehen betrunken zu werden, zu sein, zu müssen. Da fängt man zum Beispiel morgens mit besten Vorsätzen ernsthaft mit dem Probieren und Spucken an, aber über den Tag gesehen landet man dann doch bei zu vielen Edeltropfen, die auszuspucken man nicht übers Herz bringt. Ich gehöre durchaus zu dieser Gefährdungsgruppe, und nicht jedes Jahr komme ich unter 0,8 Promille da raus wie 2018. Deshalb auch generell keine An- und Abreise mit dem Auto. Alkoholisiertes Fahren ist in der Weinszene übrigens eine Thema ganz nah am Tabustatus.

Ich vertiefe das aber jetzt nicht, keine Sorge. Die zentrale Frage, die mich vor jeder ProWein beschäftigt ist die nach dem Programm. Was nehme ich mir vor? Zu viel ist immer schlecht, weil das frustet, wenn man nur einen Teil des Plans schafft. Deshalb waren für dieses Jahr weniger Events und mehr freie Verkostungen geplant. Im Mittelpunkt standen meine Lieblingsregion hierzulande, die Südpfalz (wegen ihrer Rebsortenvielfalt und der enormen Anzahl engagierter Jungwinzer) sowie Südafrika, ist doch eine internationale Messe wie die ProWein bestens geeignet, sich einen Überblick über dieses immer noch unterschätzte Weinland zu machen, wo es so viel Qualität zu barmherzigen Preisen gibt.

Einen idealen Einstieg in den Tag bot die von Markus Del Monego gewohnt eloquent und informativ gestaltete Reise durch die Weinpfalz. Besonders spannend wurde die Probe durch ihre kulinarischen Begleitumstände. Jeweils zwei Weine wurden zunächst solitär, dann in Kombination mit einer Speise probiert. In guter Erinnerung blieben eine trockene 2016er Gewürztraminer Spätlese vom Weingut Andres zum Karotten-Orangesüppchen mit Ingwer und eine Chardonnay-Weißburgunder-Cuvée von der Sektkellerei Schreier & Kohn zum Kohlrabi-Bratwurst-Carpaccio. Die Veranstaltung hat mich in meiner Vorliebe für Weine aus der Pfalz mal wieder bestätigt. Da ist weiterhin richtig viel in Bewegung, vor allem im unteren Preissegment. Dazu später in Teil II noch mehr.

rewirpower-Weintest 2017: Jetzt Probierpakete mit den Siegertropfen sichern

In den 15 Jahren seines Bestehens hat der rewirpower-Weintest immer eine Sache in den Vordergrund gestellt: den interessierten Konsumenten nicht nur Empfehlungen für gute Weine an die Hand zu geben, sondern auch zu unterstreichen, dass sich der Weg in den Fachhandel lohnt. Wo es ausgesuchte Weine, kompetente Beratung und nicht zuletzt Gelegenheit gibt, den einen oder anderen Wein selbst zu probieren. Nichts schafft mehr Klarheit darüber, welcher Wein nach dem Kauf das größte Trinkvergnügen verspricht als der eigene Geschmack.

Nun gibt es im Ruhrgebiet eine Menge versierter Fachhändler. Einige wenige landeten mit ihren Lieblingsweinen unter 8 Euro beim rewirpower-Weintest 2017 sogar auf dem Treppchen. Mit der Möglichkeit, Probierpakete bestehend aus den drei besten Rot- und Weißweinen einer qualifizierten Verkostung zu ordern, nimmt der rewirpower-Weintest nach wie vor eine Sonderstellung unter den Weinprämierungen in Deutschland ein. Eine Möglichkeit, die man als Weinliebhaber nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte. Und auch wenn der Trend zum Weinkauf per Internet oder beim Discounter vor Ort anhält – wir favorisieren weiterhin den persönlichen Kontakt zum Fachhändler. Deshalb bleibt die Abholung der Pakete vor Ort bei einem der prämierten Händler auch 2017 Teil der Aktion. Denn wo sonst käme man seinen potentiellen Lieblingsweinen besser auf die Spur?

kompottsurfers Lieblingsweine aus dem Trinkjahr 2016

Normalerweise listet der kompottsurfer zum Jahreswechsel immer zehn Lieblingsprodukte rund ums Essen auf. Aber in diesem Jahr gab es nicht so viele Produkte, die nicht schon in den Vorjahren Berücksichtigung gefunden hätten. Dafür umso mehr überragenden, neu entdeckten Trinkstoff. Also schwenken wir ausnahmsweise mal um.
Neben meinen persönlichen Favoriten aus den Top 10 des rewirpower-Weintests sind auch ein paar Tropfen aus Übersee aufgelistet, die mich zukünftig mehr auf Südafrika und Chile blicken lassen, wenn es um außergewöhnliche Weine geht. Die Liste ist jedoch nicht nach den Höchstbewertungen aller von mir in 2016 getrunkenen Weine zusammengestellt, sondern nach persönlichem Preis-Genuss-Verhältnis. Klar, dass ein Champagner wie Pol Rogers 2004er Jahrgangs-Cuvee “Sir Winston Churchill“ großes Trinkvergnügen bereitet, wenn man ihn – wie bei der Prowein in diesem Jahr – mal vor die Flinte bekommt. Aber 199 Euro Einkaufspreis sind dann schon ein reichlich üppiges Trinkgeld für diese rare Perle unter den Champagnern. Deshalb finden solche Kreszenzen keine Aufnahme in meine Hitliste. Und doch bleibt genügend wunderbarer Stoff übrig.
1. Domaine de Rochegrès // 2014 // Moulin a Vent // Beaujolais // Frankreich // Gamay // 12,5 Vol.% // EUR 25,90
2. Montes Alpha // 2012 // Colchagua Valley / Chile // Syrah // 14,5 Vol.% // EUR 14,95
3. Deidesheimer Herrgottsacker // 2015 // Staatsweingut mit Johannitergut // Pfalz // Deutschland // Riesling Kabinett trocken // 11,5 Vol. % // EUR 5,50
4. Kloof Street ‚Bush Vines‘ // 2012 //Mullineux & Leeuw Family Wines // Swartland // Südafrika // Syrah // 13,5 Vol. % // EUR 14,90
5. Les Courtines Grande Réserve // 2015 // Cave de Cruzy // Pays d’Oc // Frankreich //  Sauvignon Blanc, Colombard, Gros Manseng // 12 Vol. % // EUR 7,95
6. Vidal-Fleury // 2013 // Cotes du Rhone // Frankreich // Grenache, Syrah, Mourvèdre, Carignan // 14 Vol. % // EUR 9,90
7. 1838 // 2014 // Weingut Bergdolt, Reif & Nett // Pfalz // Deutschland // Cabernet, Merlot, Lagrein, Dornfelder // 13 Vol. % // EUR 7,80
8. Riesling Sekt Brut Tradition Flaschengärung // Winzervereinigung Die Weinmacher // Pfalz // Deutschland // 12,5 Vol % // EUR 6,95
9. Chasslie // Heitersheimer Maltesergarten // Weingut Zotz // Baden // Deutschland // 12 Vol. % // EUR 6,90
10. Edition Riesling // 2007 // Weingut Querbach // Rheingau // Deutschland // 12 Vol. % // EUR 9,40

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